Nach ersten Testläufen ist das Modell für G- und F-Jugend ab der Saison 2021/2022 in die nächste Stufe der Pilotphase gegangen. Bei den G- und F-Junioren erfolgte im FLVW Kreis 27 Recklinghausen ab der Saison 2021 / 2022 die flächendeckende Umstellung auf die neuen Spielformen. Die bundesweit einheitlichen Zielsetzungen stehen im Zentrum des Projektes, lassen jedoch unterschiedliche Lösungswege zu. So können die umgesetzten Spielmodelle (z. B. Spiel auf zwei oder vier Tore, mit oder ohne Torschusszone etc.) von Landesverband zu Landesverband variieren. Welches Spielmodell bzw. welche Spielmodelle für das jeweilige Alter am besten sind, wird die Praxis zeigen - wir sind hier mit der Entwicklung auch bei uns im Kreis nicht am Ende.
Was hat es mit den neuen Spielformen auf sich?
Das Spielen mit dem Ball am Fuß und das Erzielen von Toren sind die zentralen Gründe, warum so viele Kinder und Jugendliche Freude am Fußball haben. Die neuen Spielformen sollen allen Kindern auf dem Platz so häufig wie möglich die Chance geben, den Ball selbst am Fuß zu haben, eigene Aktionen zu haben, Tore zu erzielen und damit persönliche Erfolgserlebnisse zu haben. Deshalb soll auf kleinere Teams und viel Abwechslung gesetzt werden. Dies soll nicht nur die individuelle sportliche Entwicklung der Kinder und Jugendlichen fördern, sondern nach dem Amateurfußball-Kongress 2019 nicht zuletzt auch den gesamten Fußball und seine Vereine an der Basis stärken. Die neuen Spielformen beziehen sich grundsätzlich auf die Altersklassen G-, F- und E-Jugend. In der Pilotphase liegt der Fokus bei der G- und F-Jugend, so dass die neue Spielphilosophie langsam „mitwachsen“ kann.
Was besagen die neuen Spielformen genau?
G-Jugend (U6/U7): Es wird 3 gegen 3 (alternativ 2 gegen 2) auf zwei Tore gespielt. Ein Team besteht aus drei Feld- und min. einem Rotationsspieler*in. Es wird ohne Torwart*in gespielt. Nach jedem Tor wechseln beide Mannschaften automatisch jeweils eine/-n Spieler/-in. Gespielt wird an den Spielenachmittagen in Turnierform, empfohlen sind bis zu acht Durchgänge à fünf Minuten. Nach jedem Durchgang gehen die Gewinnerteams jeweils ein Spielfeld weiter, die Verliererteams jeweils um ein Spielfeld zurück. Dadurch werden weitgehend ausgeglichene Spiele mit wenigen extremen Ergebnissen erreicht, es ergibt sich ein ausgewogeneres Leistungsniveau und daraus resultierend weniger Frust für die Kinder. Auf der anderen Seite bietet der Modus einen zusätzlichen Anreiz, immer wieder „aufsteigen“ zu können. Weitere alternative Spielvarianten sind ebenfalls möglich. Turniersieger werden hierbei definitiv nicht ermittelt!
F-Jugend (U8/U9): Es wird 5 gegen 5 (mit TW) / alternativ 3 gegen 3 /4 gegen 4 (ohne TW) auf zwei Tore gespielt. Dabei wird ein Team durch maximal einen/zwei Rotationsspieler/n*innen ergänzt. Die jeweilige Spielform ist abhängig von der tatsächlichen Anzahl der Spieler*innen am Spieltag. Vorgeschlagene Spielzeit pro Durchgang sind hier fünf bis acht Minuten. Klare Empfehlung ist es, sich in der F-Jugend auf das 3 gegen 3 (U8) bzw. 5 gegen 5 (U9) zu konzentrieren, um wie beschrieben allen Kindern mehr Ballaktionen zu ermöglichen. Sowohl beim 3 gegen 3 als auch beim 5 gegen 5 gehen nach jedem Durchgang die Gewinnerteams jeweils ein Spielfeld weiter und die Verliererteams um ein Spielfeld zurück. Weitere alternative Spielvarianten sind ebenfalls möglich. Turniersieger werden hierbei definitiv nicht ermittelt!
Was sind die Gründe für die neuen Ansätze?
Durch die neue Ausgestaltung wird der Fußball in den betreffenden Altersklassen kindgerechter. Denn: Je größer die Gruppen, desto weniger Ballkontakte haben die einzelnen Spieler und Spielerinnen. Gerade leistungsschwächere oder auch körperlich unterlegene Kinder gehen zum Teil unter und verlieren dadurch den Spaß am Spiel und die Chance auf Weiterentwicklung. Die neuen Spielformen sollen den Kindern bessere Möglichkeiten bieten, Fußball so zu spielen, dass sie häufig am Ball sind und dabei Spaß haben. Aktuell wird im Kinderfußball häufig zu früh Wert auf Taktik gelegt, worunter die Ausbildung der fußballerischen Grundlagen leidet. Dies haben viele Untersuchungen gezeigt. Die neuen Spielformen sollen diesem Problem entgegenwirken.
Die neuen Spielformen verringern den Einfluss der Trainer*innen und Eltern auf das Wettkampfgeschehen und fördern damit die Selbstständigkeit der Spieler*innen. Die Kinder lernen, verstärkt eigene Lösungen zu finden. Der neue Modus bringt mit sich, dass mehr Spiele verloren und gewonnen werden, sodass Kinder auch den Umgang damit noch besser erlernen.
Das Konzept stellt zudem eine weitere gemeinsame Maßnahme dar, das Ausbildungs- und Talentfördersystem in Deutschland weiterzuentwickeln.
Was sind die größten Vorteile?
Jedes Kind spielt mit und hat Aktionen am Ball. Die Kinder spielen ein Spiel, das ihren Fähigkeiten und Interessen gerecht wird. Und: Die Kinder erlernen noch besser grundsätzliche Werte des Fußballs – nämlich: Fairplay, Freude am Spiel sowie Umgang mit Siegen und Niederlagen.
Ist das noch „echter Fußball“?
Natürlich. Fußball heißt: zwei Mannschaften, Tore und ein Ball. Was macht den Fußball aus? Spiel, Spaß, Tore – genau das wird mit dem neuen System gefördert. Kinder können auf vielfache Art und Weise, Tore erzielen - vor allem auch die Kinder, die (noch) nicht zu den leistungsstärksten gehören. Zudem dribbeln die Kinder häufiger und haben mehr Ballaktionen, was die Technik fördert und jedes einzelne Kind sportlich verbessert. Auch das Verteidigen wird dadurch intensiver und individueller geschult.
Was ist mit Ergebnissen und Tabellen, was ist mit Schiedsrichter*innen?
Ergebnisse werden nicht festgehalten, aber jedes einzelne Spiel wird gewertet und Mannschaften steigen während des Turniers in das nächste Feld auf oder ab. Insofern gibt es durchaus Sieger*innen und Verlierer*innen – eine Erfahrung, die auch für Kinder nicht unwichtig ist. Aufgrund der Vielzahl an Spielen sind die einzelnen Ergebnisse in den neuen Spielformen allerdings auch schneller wieder vergessen. Tabellen und Schiedsrichter*innen gibt es nicht. Die Trainer*innen und Betreuer*innen fungieren als gemeinsame Spielleiter*innen und greifen nur bei Bedarf ins Geschehen ein. Die Entscheidungen während der Spiele sollen von den Kindern weitestgehend selbst getroffen werden – so wie es seit einigen Jahren ohnehin schon in der G- und F-Jugend praktiziert wird (Fair-Play-Liga) und wie es jahrzehntelang auf den Bolzplätzen gewohnt war, auf denen viele tolle Fußballer*innen groß wurden. Ebenso wie in der Fair-Play-Liga gilt: Eltern, die nicht als offizielle Betreuer*innen fungieren, können ihre Kinder unterstützen, haben jedoch einen Mindestabstand zu den Spielfeldern einzuhalten.
Werden schwächere Spieler*innen nicht demotiviert, weil Leistungsunterschiede noch deutlicher zutage treten?
Im Gegenteil: Bei den bisherigen Spielformen in den unteren Altersklassen (7 gegen 7) ist es viel eher der Fall, dass die langsameren und weniger talentierten Spieler/-innen kaum an den Ball kommen und häufig auf Positionen spielen, die sie vom eigentlichen Spielgeschehen fernhalten. Mit dem neuen Modus werden alle Kinder eng einbezogen und erhalten in ihrem Team Ballaktionen und -kontakte. Durch das Auf- und Absteigen in den Spielfeldern anhand der Spielergebnisse während der Turniere ist außerdem gewährleistet, dass verstärkt Teams aufeinandertreffen, die ein ähnliches Leistungsniveau haben.
Welche Herausforderungen stellen sich organisatorisch für die Vereine?
Vereine benötigen Tore und im Idealfall einige Betreuer*innen. Dafür können beim Spielenachmittag Eltern genutzt werden. Gerade in der F- und G-Jugend sind diese häufig noch mit auf dem Sportplatz. Mini-Tore können bei Bedarf durch Hütchen und Stangen ersetzt werden. Schöner sind sicherlich Mini-Tore mit Netzen, in denen der Ball „zappelt“. Die Verbände arbeiten zusammen daran, die Vereine bei der ersten Durchführung von Wettbewerben in der Organisation, aber auch bei der Anschaffung von Toren unterstützen zu können. Auch hier gilt es, in der Pilotphase gemeinsam Erfahrungswerte zu sammeln, aus denen weitere Maßnahmen und Ergänzungen abgeleitet werden können.
Inwieweit ist es problematisch für die Torhüter*innen-Ausbildung, wenn in den ersten Jahren ohne Keeper gespielt wird? Wann muss Torhüter*innen-Ausbildung zielgerichtet beginnen?
Zwingend ohne Torhüter*in wird bei den neuen Spielformen lediglich in der G-Jugend (Alter: 4 bis 6 Jahre) agiert. Im Kindesalter stehen vielfältige Bewegungserfahrungen sowie Spaß und Freude am Fußball im Mittelpunkt. Positionsspezifische Aspekte, auch im Torwartspiel, spielen für den Ausbildungsgedanken noch keine Rolle. Natürlich sollen auch Torschussspiele im Training stattfinden, in denen sich jeder im Tor ausprobieren kann. Ab der F-Jugend ist alternativ auch ein 5 gegen 5 auf Kleinfeldtore (also mit Torwart) möglich.